Erinnert sich noch jemand an Glenn Cowan? Kaum zu glauben, aber diesem rein sportlich gesehen eher unauffälligen amerikanischenTischtennisspieler gelang es 1971, das Weltgeschehen maßgeblich zu beeinflussen. Dass es dazu kommen konnte, lag aber nicht an seinem Spielvermögen, sondern an einem schlichten Zufall.
Was war geschehen? Anlässlich der Tischtennis-WM im japanischen Nagoya war Cowan nach dem Training auf dem Weg zum Wettkampf schlicht in den falschen, nämlich den chinesischen Mannschaftsbus gestiegen.
Dazu muss man wissen, dass die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen Chinas zum Rest der Welt Anfang der 1970er Jahre in Folge der „Kulturrevolution“ komplett eingestellt waren. China galt als „Schurkenstaat“, der sich gleichzeitig mit den USA und der Sowjetunion anlegte. Zwar hatten die Amerikaner Ende der 1960er bereits wieder erste vorsichtige Annäherungsversuche gemacht, aber die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen stand noch in weiter Ferne.
So kann man sich die verwunderten Gesichter der chinesischen TT-Delegation sicher lebhaft vorstellen, als plötzlich der Klassenfeind in Form eines langhaarigen Amerikaners leibhaftig vor ihnen im Bus stand. Doch statt ihn hinauszuwerfen oder ihn zumindest mit der damals in China gern gebrĂĽllten Parole „Nieder mit dem amerikanischen Imperialismus!“ standesgemäß zu „begrĂĽĂźen“, sprang nach ca. 10-minĂĽtigen Schweigen der chinesische Spitzenspieler Chuang Tse-Tung ĂĽber seinen Schatten und schenkte dem ĂĽberraschten Cowan ein Seidenbild mit einer chinesischen Berglandschaft, das er zufällig in seiner Tasche fand. Damit war das Eis gebrochen. Cowan revanchierte sich, nachdem der Bus am Stadion angekommen war, sogleich mit einem rasch gekauften T-Shirt mit Peace-Zeichen fĂĽr seinen neuen Freund. Die zahlreichen Reporter am Wettkampfort bekamen von der Sache Wind und eine Riesengeschichte ging um die Welt.
Dazu gibt es auch ein berühmtes Bild, das damals in fast allen Zeitungen abgedruckt wurde. Als Cowan die Frage eines Reporters, ob er sich vorstellen könne, auch nach China zu reisen und dort zu spielen, bejahte, folgte darauf am 7. April 1971 prompt eine offizielle Einladung der Chinesen an das US-Team nach Peking. Diesem ersten Besuch folgten dann weitere chinesisch-amerikanische Treffen auch unter hochrangigen Politikern (Nixon, Kissinger), was die Spannungen zwischen den beiden Ländern stark reduzierte und die Beziehungen erheblich verbesserte. Diesen Prozess bezeichnete man als Ping-Pong-Diplomatie.
Übrigens: Die erste China-Reise der amerikanischen Tischtennis-Nationalmannschaft hat es 1994 auch in einen berühmten Hollywood-Film geschafft. In Forrest Gump sieht man Tom Hanks als begnadeten Tischtennisspieler, der zunächst gegen die Chinesen an der Platte steht und anschließend auch noch US-Präsident Nixon trifft.