Gestern gab es den ersten Bericht zum Thema Auszeit beim Tischtennis.
Jan LĂĽke findet, dass die Auszeit grundsätzlich eine feine Sache ist, aber …
Lest selbst:
„Ist zwar schon einige Tage her, es muss das Jahr 2000 gewesen sein, aber ich kann mich noch ziemlich bildhaft an mein erstes Spiel nach der EinfĂĽhrung der Time-Out-Regel erinnern.
Ich war in einem Einzel längst abgebogen auf die Verliererstraße, war nach Sätzen und nach Punkten ordentlich ins Hintertreffen geraten, hatte mit dem Spiel im Kopf eigentlich schon längst abgeschlossen – und habe mich dann doch noch mal am damals noch so ungewohnten Time-Out-Zeichen probiert. Mit Erfolg! Der nächste Punkt, die nächsten Sätzen, das ganze Spiel gingen an mich.
An dem Tag war ich großer Fan der Auszeit – und blieb es auch für einige der folgenden Jahre, wenngleich eher aus der persönlichen Motiven. Mit dem Time-Out herumzuprobieren und nach eventuellen Vorteilen zu suchen, finde ich seit jeher ganz spannend. Was nichts damit zu tun hat, dass meine Meinung vom Time-Out im Tischtennis keine sonderlich hohe ist. Ich finde sogar, Tischtennis und Time-Out passen nicht so richtig zusammen.
Warum das? Für mich hat das vor allem einen Grund: Tischtennis ist per se eine Sportart mit vielen Unterbrechungen in seiner Wettkampfstruktur. Die Sätze sind kurz – und stellen alle paar Minuten einen natürlichen Bruch im Spielfluss dar, der durchaus erheblich ist: Pause für die Spieler, Einleiten einer neuen Konstellation im Wettkampf, Möglichkeit der Einflussnahme von außen inklusive. Schon allein das passiert etwa in einem Fünf-Satz-Spiel ganze viermal. Obwohl das Spiel in seiner Netto-Spielzeit keine 15 oder vielleicht 20 Minuten dauert.
Das aber sind nicht die einzigen Unterbrechungen: Alle sechs Punkte geht es zum Handtuch, zudem zwischen jedem Ballwechsel in eine weitere oftmals nicht maximal kurz gehaltene Pause zur Vorbereitung auf den nächsten Punkt. All das sind kleine, aber beträchtliche Möglichkeiten für den Athleten, sich zu sammeln, sich Gedanken zu machen, den Rhythmus des Spiels zu ändern oder zu brechen. All das ist keine Spielzeit!
Wirft man einen Blick auf die Sportarten, in deren Regelwerk sich Auszeiten finden, ist Tischtennis – das muss man ganz klar sagen – ein absoluter Exot. Basketball, American Football, Handball, Hockey in all seinen Variationen mit dem Steckenpferd Eishockey. Das sind allesamt Mannschaftssportarten, in denen es dementsprechend um gruppentaktische Prozesse geht, um eine Organisation und Interaktion von etlichen Akteuren miteinander, um eine Ausrichtung auf einen Gegner mit ebenfalls etlichen Akteuren.
Zudem ist die Spielzeit in diesen Sportarten, selbst wenn man sie einem Best-of-seven-Spiel im Tischtennis gegenüberstellt, deutlich üppiger und – jeweils auf diese Spielzeiten gerechnet – die durchs sonstige Regelwerk gegebenen Unterbrechungen und Pausen eher gering. Auszeiten sind daher ein sinnvolles Stilmittel in den jeweiligen Regelbüchern, um dem Spielverlauf eine neue Facette hinzuzufügen und das Spiel zu bereichern. Im ohnehin kurzlebigen und unterbrechungsreichen Tischtennis sehe ich diese Bereicherung nicht wirklich.
Was hinzu kommt: Mit der Auszeit hat der Spieler zwar ein zusätzliches taktisches Mittel in die Hand bekommen, das er eigenverantwortlich nutzen kann. Allerdings wird dem Spieler auch ein wenig an Eigenverantwortung genommen. Was eine Auszeit regeln kann, eben, dass sich ein Spieler sammelt, seine Einstellung zum Spiel oder seine Taktik verändert, könnte in einem Regelwerk ohne Auszeit auch der Spieler in der jeweiligen Spielsituation selbst verändern. Ohne als Mittel dazu eine zusätzliche Unterbrechung in der Hinterhand zu haben. Mentale Stärke, ein guter Kopf in knappen Wettkampfsituationen wĂĽrden wieder an Bedeutung gewinnen, wenn die Auszeit wegfallen wĂĽrde. Deren Wirkung ist nämlich unbestritten – das habe ich mittlerweile längst auch etliche Male aus der Verliererperspektive zu spĂĽren bekommen.“
Jan LĂĽke auf mytischtennis.de